Islam Alijaj ist Handicap-Lobbyist und Präsident von Tatkraft, einem Verein zur Förderung der Potenziale von Menschen mit Behinderungen. Der Vater zweier Kinder hat Cerebralparese und ist vorzugsweise im Rollstuhl unterwegs. Mit uns sprach er über seine Erfahrungen während der Pandemie – und seine Anliegen darüber hinaus.
Corona: Wie geht es Ihnen, Islam Alijaj?
„Klar, die Schulschliessung im Frühling 2020 war etwas stressig“, gibt Islam Alijaj zu: „Aber die Entschleunigung war auch eine Chance, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren.“ Im Falle des 34-Jährigen ist das Wesentliche seine Familie und das Schaffen neuer Innovationen im Behindertenwesen. Vor der Pandemie sei er oft durch die Schweiz gereist im Rahmen seines Engagements für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. Doch derzeit lägen die meisten Aktivitäten auf Eis.
So habe er mehr Zeit für seine Kinder. Sie zu beschäftigen, sei aktuell allerdings kein einfaches Unterfangen. Der Winter stelle Islam Alijaj ohnehin vor Herausforderungen, da ihn Kälte und Witterung in seiner Bewegung einschränkten. Wenn dann noch das Fussballtraining seines Sohnes wegfalle, müssen andere Lösungen gesucht werden, um das Energiebündel zu unterhalten.
Auch beruflich war und ist Islam Alijajs Kreativität gefragt, etwa bei der Begleitung seiner fünf Projektmitarbeiter*innen im Verein Tatkraft: „Corona hat die Umsetzung von Projekten erschwert. Da muss man auch mal unkonventionelle Wege einschlagen“, weiss er.
Viel lieber als mit Corona beschäftige er sich mit der Zeit danach. „Jede Krise birgt auch Chancen – diese möchte ich für die Inklusion nutzen“, kündigt er an. Die Pandemie habe zum Beispiel gezeigt, dass man dank der Digitalisierung auch auf Distanz gut zusammenarbeiten könne. „Hier gibt es vor allem im Behindertenwesen noch einiges zu tun, damit Betroffene ihr Potenzial besser entfalten können“, ist er überzeugt.
Dringenden Handlungsbedarf sieht Islam Alijaj auch bei der Entlöhnung bestimmter Berufsgruppen: Assistent*innen von Menschen mit Behinderungen sollen ebenfalls in die Lohndebatte einbezogen werden, die um die Pflegenden entfacht sei. „Gerade jetzt ist das Assistenzmodell wichtiger denn je, aber die Löhne und Budgets fallen viel zu klein aus“, gibt er zu bedenken.
Beruflich hat Islam Alijaj noch viel vor. Privat möchte er, sobald es die Situation erlaube, erstmal mit seiner Familie die für 2020 geplanten Ferien in der Türkei nachholen – und einfach mal wieder in einem Café einen Cappuccino trinken.
„Jede Krise birgt auch Chancen – diese möchte ich für die Inklusion nutzen“.