Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) beharrt auf der Kürzung der Kinderrente im Rahmen der IV-Weiterentwicklung. Sie erhöht damit die ohnehin schon hohen Startschwierigkeiten der Kinder von IV-Beziehenden. Besonders hart: Eltern mit einer hohen Arbeitsunfähigkeit werden doppelt bestraft.
Bei Kinderrenten uneinsichtig – Doppelbestrafung für Menschen mit schweren Behinderungen
Für Inclusion Handicap sind diese Entscheide nicht zu verantworten. Die Missstände bei den Gutachten will die Kommission immerhin angehen. Die SGK-N sprach sich erneut, trotz des gegenteiligen Antrags von CVP-Nationalrat Christian Lohr, für eine Kürzung der Kinderrente von 40 auf 30 Prozent der Hauptrente aus. Der Ständerat hatte sich noch einstimmig dagegen ausgesprochen, und das mit gutem Grund: Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) hatte das Hauptargument der Kürzungs-Befürworter widerlegt. Ein Bericht hat klar aufgezeigt, dass selbst eine Familie mit einem tiefen Erwerbseinkommen am Schluss des Monates mehr Geld zur Verfügung hat als eine Familie mit IV-Rente (inkl. Kinderrente) und EL zusammen. Die äusserst knappe Mehrheit der SGK-N aber blieb uneinsichtig und zeigte sich resistent gegen die neuen Fakten. Sie will um jeden Preis Sparmassnahmen in dreistelliger Millionenhöhe durchpauken. Leidtragende sind Kinder von IV-Eltern, die schon heute schlechtere Startchancen ins Leben haben und nachweislich stärker von Armut gefährdet sind.
Besonders heftig trifft diese Kürzung Mütter und Väter mit einer schweren Behinderung. Wer einen IV-Grad zwischen 60 und 69 Prozent aufweist, erhält mit dem bereits beschlossenen stufenlosen Rentensystem eine massiv tiefere Rente (anstatt der bisher ausgerichteten Dreiviertelrente entspricht die Rente neu dem IV-Grad). Durch die Kürzung der Kinderrente wird von der ohnehin schon tieferen Hauptrente nun auch noch ein tieferer Prozentsatz pro Kind zur Verfügung stehen. Diese Doppelbestrafung wiegt schwer und ist sozial nicht zu verantworten. Kommt hinzu, dass es die Betroffenen mit einer hohen Arbeitsunfähigkeit sehr schwer auf dem Arbeitsmarkt haben und ihre Chancen gering sind, eine Stelle zu finden.
Absurderweise scheuen die «Sparer» sehr hohe Verwaltungskosten nicht, indem sie «Kinderrente» in «Zusatzrente für Eltern» umbenennen wollen. Dieser Papiertiger bringt substanziell keine Änderung mit sich.
Weichen für Sanierung gestellt
Sparmassnahmen wie jene bei der Kinderrente sind gar nicht nötig. Durch massive Zugangsbeschränkungen und Leistungsabbau in vorangegangen Reformen sowie einer Verschärfung der Praxis, sind die Weichen zur Sanierung schon längst gestellt. Die Anzahl Renten und die Ausgaben sinken, während die Wohnbevölkerung und somit die Lohnbeiträge steigen. Seit 2013 hat die IV rund einen Drittel ihrer Schuld abgebaut und 2032 soll sie schuldenfrei sein. Nun ist die Zitrone ausgepresst: IV-Beziehende müssen bereits heute mit einem sehr eng geschnallten Gürtel leben. Ein weiterer Leistungsabbau drängt sie finanziell und sozial (noch stärker) an den Rand der Gesellschaft.
Immerhin hat die SGK-N beschlossen, dass IV-Beziehende ab 55 Jahren weiterhin nach dem alten Rentensystem berentet werden. In der ersten Runde wollte der Nationalrat das stufenlose Rentensystem auf IV-Rentenbeziehende bis zum 60. Altersjahr anwenden.
Qualitätssteigerung bei Gutachten tut not
Erfreulich sind die Entscheide der Kommission zur Verbesserung der Qualität der medizinischen Gutachten. Die Gutachten sind zentral, da dort die Höhe der Arbeitsfähigkeit eingeschätzt wird und sich die IV bei der Rentenprüfung darauf stützt. Für die Gutachterinnen und Gutachter können die Aufträge der IV sehr lukrativ sein, vor allem wenn sie sich häufen. Wie sich wiederholt gezeigt hat, sind deshalb einige dazu geneigt, im Sinne des Auftraggebers tendenziöse Gutachten zu verfassen und die Arbeitsfähigkeit der Betroffenen zu hoch einzuschätzen. Nun sollen die Abklärungen aufgezeichnet werden. Dies schützt nicht nur die Versicherten, sondern auch professionell und seriös arbeitende Gutachterinnen und Gutachter.
Die IV-Weiterentwicklung kommt voraussichtlich im Dezember in den Nationalrat. Inclusion Handicap wird sich dafür einsetzen, dass die neu gewählte grosse Kammer den unverantwortlichen Entscheid, die Kinderrente zu kürzen, korrigiert.
Auskunft
Julien Neruda, Geschäftsleiter Inclusion Handicap
078 666 02 59 / julien.neruda@inclusion-handicap.ch