Beistandschaft

Eine Beistandschaft dient dazu, das Wohl und den Schutz einer hilfsbedürftigen Person sicherzustellen. Sie soll aber das Selbstbestimmungsrecht einer Person nur soweit einschränken, als dies vom Schutzgedanken her wirklich erforderlich ist.

In diesem Kapitel erläutern wir kurz einige allgemeine Grundsätze des Erwachsenenschutzrechts und stellen dann die verschiedenen Formen der Beistandschaft vor.


    Grundsätze des Erwachsenenschutzrechts

    Generell gilt, dass eine Beistandschaft immer nur dann angeordnet werden soll, wenn der Schutz einer Person nicht auf andere Art erreicht werden kann. Ist beispielsweise die Betreuung durch das Umfeld der betroffenen Person (z.B. Angehörige oder Freunde) ausreichend oder die Unterstützung durch nicht-staatliche gemeinnützige Organisationen (wie z.B. Pro Infirmis) oder durch Institutionen der staatlichen Sozialhilfe gesichert, kann und soll auf eine Beistandschaft verzichtet werden.

    Ist eine Beistandschaft nötig, dann soll sie das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Person nicht unnötig einschränken. Das kann nur erreicht werden, wenn die Beistandschaft für die betroffene Person „massgeschneidert“ ist: Sie darf weder stärker noch schwächer als erforderlich in die Rechtstellung der betroffenen Person eingreifen. Sie muss also „verhältnismässig“ sein.

    Die Erwachsenenschutzbehörde ordnet eine Beistandschaft entweder von Amtes wegen oder auf Antrag der betroffenen oder einer nahestehenden Person an. Vorausgesetzt ist ein im Gesetz umschriebener Schwächezustand. Das Gesetz definiert diesen wie folgt: geistige Behinderung, psychische Störung oder ein ähnlicher in der Person liegender Schwächezustand sowie vorübergehende Urteilsunfähigkeit oder örtliche Abwesenheit. Da der Inhalt der Beistandschaft gesetzlich nicht im Detail festgelegt ist, muss die Erwachsenenschutzbehörde diesen im Einzelfall konkret umschreiben. Dies führt dazu, dass der Beistand oder die Beiständin nur für diejenigen Bereiche zuständig ist, welche von der Behörde aufgelistet werden. In allen anderen Bereichen gilt die verbeiständete Person somit als selbständig. Es steht der Behörde aber auch frei, die verschiedenen Arten der Beistandschaft zu kombinieren.

    Fällt der Grund für eine Beistandschaft weg, muss sie auf Antrag der betroffenen oder einer nahestehenden Person oder von Amtes wegen wieder aufgehoben werden.

    Wann wird eine Begleitbeistandschaft angeordnet?

    Wer für bestimmte Angelegenheiten eine begleitende Unterstützung benötigt, erhält von der Erwachsenenschutzbehörde einen Begleitbeistand.

    Dabei kann es sich zum Beispiel um eine Unterstützung bei der Essens- und Einkaufsplanung, beim Ausfüllen von Formularen, bei der Geltendmachung von Ansprüchen oder beim Abschluss von Verträgen handeln. Zwar stellt eine Begleitbeistandschaft eine behördliche Massnahme dar, der sich die betroffene Person nicht vollständig entziehen kann; sie kann aber nur wirklich wirksam sein, wenn die Person mit ihr einverstanden und auch bereit ist, mit dem Beistand oder der Beiständin zusammenzuarbeiten. Die Begleitbeistandschaft schränkt die Handlungsfähigkeit der verbeiständeten Person nicht ein, so dass diese weiterhin selbständig handelt. Der Begleitbeistand bzw. die Begleitbeiständin übt nur eine gewisse Kontrolle aus und berät die betroffene Person.

    Beispiel

    Die 21-jährige Frau M möchte aus dem Elternhaus ausziehen. Aufgrund einer Lernbehinderung benötigt sie bei der Wohnungssuche, bei der Wohnungsbewerbung, beim Abschluss eines Mietvertrages und bei der Einrichtung einer Wohnung Unterstützung. Da sie aber durchaus in der Lage ist, die Tragweite von Verträgen zu verstehen und diese auch abzuschliessen, muss ihre Handlungsfähigkeit nicht eingeschränkt werden. Frau M kann also den Mietvertrag, den Auftrag an das Zügelunternehmen und allfällige Kaufverträge für Einrichtungsgegenstände selbst unterzeichnen.

    Wann ist eine Vertretungsbeistandschaft notwendig?

    Wer gewisse Angelegenheiten nicht selber erledigen kann und diesbezüglich vertreten werden muss (z.B. bei der Unterzeichnung eines Mietvertrages oder beim Kauf von Möbeln), erhält von der Behörde einen Vertretungsbeistand. Ein Vertretungsbeistand kann auch dann notwendig sein, wenn sich eine Person in gewissen Belangen vollständig passiv verhält (also auch nicht in der Lage ist, jemanden zu bevollmächtigen).

    Der Vertretungsbeistand bzw. die Vertretungsbeiständin wird im Rahmen der ihm bzw. ihr übertragenen Aufgaben zur gesetzlichen Vertretung. Die Handlungsfähigkeit der verbeiständeten Person ist damit aber nur insofern berührt, als sie sich die Handlungen des Beistandes bzw. der Beiständin gefallen lassen muss. Sie kann aber trotzdem auch weiterhin selbst handeln (z.B. die gekauften Möbel wieder verkaufen). Sofern sie es als nötig erachtet, kann die Behörde die Handlungsfähigkeit für gewisse Angelegenheiten aber auch einschränken, so dass die Person zum Beispiel nicht selbständig einen Arbeitsvertrag abschliessen kann. Auch kann sie den Beistand bzw. die Beiständin mit der Einkommens- bzw. Vermögensverwaltung beauftragen. Zum Schutz einer Person kann zudem der Zugriff auf einzelne Vermögenswerte entzogen werden (bei Grundstücken durch Anmerkung im Grundbuch).

    Beispiel

    Herr F ist mit der Wahrung seiner Ansprüche gegenüber der Invalidenversicherung überfordert. Er kann und möchte dafür aber trotzdem niemanden bevollmächtigen. Der hierfür eingesetzte Vertretungsbeistand vertritt Herrn F gegenüber der Invalidenversicherung und kann für ihn Anträge stellen und Rechtsmittel ergreifen.

    Wann wird eine Mitwirkungsbeistandschaft errichtet?

    Wenn die Gefahr besteht, dass eine Person Rechtshandlungen zu ihrem Schaden vornimmt (z.B. durch Eingehen finanzieller Verpflichtungen, die sie sich nicht leisten kann, oder durch Abschluss unvorteilhafter Geschäfte), kann die Behörde eine Mitwirkungsbeistandschaft errichten.

    Im Gegensatz zum Vertretungsbeistand ist der Mitwirkungsbeistand aber nicht gesetzlicher Vertreter. Er kann deshalb nicht für, sondern nur mit der betroffenen Person handeln. Da die verbeiständete Person aufgrund der Mitwirkungsbeistandschaft aber ebenfalls nicht mehr alleine gültig handeln kann, wird ihre Handlungsfähigkeit entsprechend beschränkt. Für die von der Massnahme betroffenen Rechtsgeschäfte bedarf sie deshalb immer der Zustimmung des Beistandes bzw. der Beiständin. Die Zustimmung kann im Voraus oder im Nachhinein erteilt werden. Sie kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen. Beistand bzw. Beiständin und verbeiständete Person müssen also immer zusammen handeln. Handelt nur einer bzw. eine der beiden, ist das Geschäft ungültig. Die Erwachsenenschutzbehörde hat im Errichtungsbeschluss genau festzuhalten, für welche Rechtsgeschäfte die Zustimmung des Beistandes bzw. der Beiständin notwendig ist.

    Beispiel

    Herr K hat von seinen Eltern eine Liegenschaft mit mehreren Wohnungen geerbt. Da er mit der Verwaltung der Liegenschaft überfordert ist und die Tendenz hat, den Mietern wahllos zu kündigen und die Wohnungen leerstehen zu lassen, kann für die Liegenschaftsverwaltung ein Mitwirkungsbeistand eingesetzt werden. Eine von Herrn K ausgesprochene Kündigung ist deshalb nur dann gültig, wenn der Mitwirkungsbeistand der Kündigung zustimmt.

    Wann ist eine umfassende Beistandschaft angezeigt?

    Eine umfassende Beistandschaft wird dann angeordnet, wenn eine besonders ausgeprägte Hilfsbedürftigkeit besteht. Der eingesetzte Beistand hat sich dann für alle Angelegenheiten der Personensorge, der Vermögenssorge und des Rechtsverkehrs zu kümmern. Er vertritt die verbeiständete Person bei allen Rechtsgeschäften. Davon ausgenommen sind jedoch die absolut höchstpersönlichen Rechte, bei denen jede Vertretung ausgeschlossen ist (wie z.B. die Errichtung eines Testaments).

    Mit der Errichtung einer umfassenden Beistandschaft entfällt die Handlungsfähigkeit von Gesetzes wegen. Ist eine Person urteilsunfähig und deshalb ohnehin nicht handlungsfähig, ist der Entzug der Handlungsfähigkeit aber nicht erforderlich. Die Behörde muss in einem solchen Fall abwägen, ob sich eine umfassende Beistandschaft rechtfertigt, oder ob eine Vertretungsbeistandschaft mit einem besonders breit gefassten Auftrag ausreicht.

    Beispiel

    Frau W hat einen schweren Verkehrsunfall erlitten und verbringt mehrere Jahre in Akutspitälern und Rehabilitationskliniken. Zu einer halbseitigen Lähmung kommen eine erhebliche Einschränkung ihrer intellektuellen Fähigkeiten sowie schwere Gedächtnisstörungen hinzu. Angesichts der komplizierten Auseinandersetzungen mit den Versicherungen und der schwierigen Entscheide im Zusammenhang mit der Durchführung der Rehabilitation rechtfertigt sich die Anordnung einer umfassenden Beistandschaft.

    Wer wird Beistand?

    Der Beistand oder die Beiständin wird von der Erwachsenenschutzbehörde ernannt. Dabei kann es sich um einen Privatbeistand oder um einen vom Gemeinwesen angestellten Berufs- bzw. Amtsbeistand handeln. Die Behörde hat dafür zu sorgen, dass die Beistände - und dabei insbesondere die Privatbeistände - die nötige Instruktion, Beratung und Unterstützung (gegebenenfalls auch Aus- und Weiterbildung) erhalten. Erfordern es die Umstände, können auch mehrere Personen als Beistände ernannt werden. In einem solchen Fall ist festzulegen, ob diese Personen das Amt in allen Bereichen gemeinsam ausüben, oder ob sie unterschiedliche Zuständigkeiten haben. Bei der Wahl der Person des Beistandes hat die Behörde in erster Linie die Wünsche und Anliegen der betroffenen Person, ihrer Angehörigen und nahestehender Personen zu berücksichtigen.

    Selbstverständlich können auch weiterhin Angehörige der betroffenen Person (Ehegatte, eingetragener Partner oder eingetragene Partnerin, Eltern, Nachkommen, Geschwister, Lebenspartner oder Lebenspartnerin) das Amt des Beistandes oder der Beiständin ausüben. Wenn es die Umstände rechtfertigen, können sie aufgrund ihrer Sonderstellung von der Inventarpflicht, von der Pflicht zur periodischen Berichterstattung und Rechnungsablage sowie von der Pflicht, für bestimmte Geschäfte die Zustimmung der Erwachsenenschutzbehörde einzuholen, ganz oder teilweise entbunden werden.  Die Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz (KOKES) hat hierzu ein Merkblatt und Empfehlungen erarbeitet.

    Beispiel

    J lebt mit einer geistigen Behinderung. Als er volljährig wird, möchte sich seine Mutter weiterhin um seine Angelegenheiten kümmern, ist aber mit der Regelung der Finanzen (wie z.B. Geltendmachung von Versicherungsleistungen oder Finanzierung der Heimunterbringung) überfordert. Der Bruder von J ist Treuhänder und bereit, die finanziellen Aufgaben zu übernehmen. Die Erwachsenenschutzbehörde kann nun sowohl die Mutter als auch den Bruder als Beistände einsetzen und ihnen unterschiedliche Aufgaben zuweisen. Zudem besteht die Möglichkeit, sie von gewissen administrativen Pflichten zu befreien.

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