Arbeitslosenversicherungstaggeld
Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen werden häufig arbeitslos. Oft verlieren sie ihre Stelle, weil der Arbeitgeber mit den Leistungen nicht zufrieden ist, und haben dann grosse Probleme, wieder eine neue Arbeit zu finden. Weil Arbeitslosigkeit meistens aus dem Zusammenwirken verschiedener Faktoren resultiert, können sich zudem Abgrenzungsprobleme zwischen den verschiedenen Sozialversicherungen ergeben. Die folgenden Ausführungen sollen zeigen, unter welchen Voraussetzungen Menschen mit Behinderungen Taggelder der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nehmen können, was sie dabei beachten müssen, wie hoch die Leistungen sind und wie lange sie in Anspruch genommen werden können.
In diesem Kapitel kann allerdings nur ein sehr kurzer Überblick über die Grundsätze des Arbeitslosenversicherungsrechts gegeben werden, ohne auf die vielen Ausnahmen und Sonderregeln in diesem dicht geregelten Rechtsgebiet näher einzugehen.
Voraussetzungen zum Bezug eines Taggelds der Arbeitslosenversicherung
Anspruch auf ein Taggeld der Arbeitslosenversicherung hat nur, wer sämtliche nachfolgende Voraussetzungen erfüllt:
- Arbeitslosigkeit: Die betroffene Person muss arbeitslos sein. Ganz arbeitslos ist, wer in keinem Arbeitsverhältnis steht und eine Vollzeitbeschäftigung sucht. Teilweise arbeitslos ist, wer in keinem Arbeitsverhältnis steht und eine Teilzeitarbeit sucht, oder wer in einem Teilzeitarbeitsverhältnis steht und eine weitere Teilzeitbeschäftigung oder eine Vollzeitbeschäftigung sucht.
- Arbeitsausfall: Die betroffene Person muss einen Arbeitsausfall von mindestens zwei aufeinander folgenden vollen Arbeitstagen erleiden, der zu einem Verdienstausfall führt. Bei einer teilzeiterwerbstätigen Person gilt der Arbeitsausfall als anrechenbar, wenn die betroffene Person innerhalb von zwei Wochen mindestens einen Ausfall von zwei vollen Teilzeitarbeitstagen aufweist. Solange noch ein Lohn- oder Entschädigungsanspruch gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber besteht, sofern dieser freiwillige Leistungen erbringt, die den Verdienstausfall decken, besteht kein anrechenbarer Arbeitsausfall.
- Wohnen in der Schweiz: Anspruch auf ein Taggeld der Arbeitslosenversicherung hat nur, wer in der Schweiz wohnt. Ausländer, die sich aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung zur Erwerbstätigkeit in der Schweiz aufhalten, erfüllen diese Voraussetzung, nicht aber Grenzgänger, die in der Schweiz gearbeitet haben, ohne hier zu wohnen.
- Alter: Anspruch auf ein Taggeld der Arbeitslosenversicherung hat nur, wer nach kantonaler Gesetzgebung nicht mehr schulpflichtig ist und wer weder das ordentliche AHV-Rentenalter erreicht hat noch die AHV-Rente vorbezieht. Wer sich nur im Rahmen der beruflichen Vorsorge vorzeitig pensionieren lässt, kann demgegenüber ein Taggeld beanspruchen, wenn die Pensionierung aus wirtschaftlichen Gründen erfolgte.
Beispiel
Herrn T wird das Arbeitsverhältnis im Rahmen einer Restrukturierung des Betriebs gekündigt. Weil Herr T bereits 62-jährig ist, zahlt ihm die Pensionskasse keine Austrittsleistung, sondern ab Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Altersrente.
Herr T wäre gerne noch einige Jahre erwerbstätig. Er kann sich nun, weil die Pensionierung aus wirtschaftlichen Gründen und nicht freiwillig erfolgt ist, bei der Arbeitslosenkasse melden und ein Taggeld beanspruchen. Das Taggeld wird allerdings um den Betrag der Altersrente gekürzt.
- Beitragszeit: Anspruch auf ein Taggeld der Arbeitslosenversicherung hat nur, wer in den letzten 2 Jahren vor der Anmeldung (sog. Rahmenfrist für die Beitragszeit) während mindestens 12 Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat oder die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Befreiung vom Nachweis der Beitragszeit erfüllt (vgl. die näheren Ausführungen weiter unten).
- Vermittlungsfähigkeit: Nur Personen, die bereit und in der Lage sind, eine zumutbare Arbeit anzunehmen, und die zudem berechtigt sind, eine Erwerbstätigkeit in der Schweiz auszuüben, haben Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung (vgl. die näheren Ausführungen weiter unten).
- Kontrollvorschriften: Nur wer regelmässig die Kontrollvorschriften erfüllt, hat Anspruch auf ein Taggeld der Arbeitslosenversicherung. Das bedingt eine frühzeitige Meldung beim regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) zur Arbeitsvermittlung (vgl. die näheren Ausführungen weiter unten).
Wann gilt die Beitragszeit als erfüllt?
Die Beitragszeit gilt grundsätzlich als erfüllt, wenn eine Person während den letzten 2 Jahren vor dem Zeitpunkt der Anmeldung während mindestens 12 Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat.
Ist eine Person in den letzten 2 Jahren vor der Anmeldung zwar in einem Arbeitsverhältnis gestanden, hat sie aber wegen einer Krankheit oder eines Unfalls keinenLohn erhalten und deshalb keine Beiträge bezahlt, so werden diese Zeiten gleich wie eine beitragspflichtige Beschäftigung angerechnet.
Beispiel
Frau M ist vor 15 Monaten arbeitsunfähig geworden und hat seither von ihrem Arbeitgeber ein Krankentaggeld von 80% des Lohnes erhalten. Nachdem ihr das Arbeitsverhältnis gekündigt worden ist, meldet sich Frau M sofort bei der Arbeitslosenversicherung zum Leistungsbezug an. Der behandelnde Arzt erachtet sie für eine angepasste Tätigkeit als 50% arbeitsfähig.
Da Frau M in den letzten 2 Jahren vor der Anmeldung immer in einem Arbeitsverhältnis gestanden ist, erfüllt sie die Voraussetzung der Beitragzeit ohne weiteres.
Wird eine Person im Anschluss an eine berufliche Massnahme der IV arbeitslos und hat sie während der letzten 2 Jahre vor der Anmeldung während mindestens eines Jahres ein IV-Taggeld bezogen, so erfüllt sie dann die Voraussetzung einer 1-jährigen Beitragszeit, wenn auf dem IV-Taggeld Arbeitslosenversicherungsbeiträge bezahlt worden sind. Das ist immer dann der Fall, wenn eine Person vor Beginn der beruflichen Massnahmen der IV als Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin tätig gewesen ist.
Wer ist vom Nachweis der Beitragszeit befreit?
Verschiedene Personengruppen sind vom Nachweis genügender Beitragszeit befreit. Das betrifft insbesondere
- Personen, die wegen einer Schulausbildung, einer Umschulung oder einer Aus- und Weiterbildung die Mindestbeitragszeit in den letzten 2 Jahren nicht erfüllen konnten, allerdings nur, wenn sie mindestens 10 Jahre lang Wohnsitz in der Schweiz hatten;
- Personen, die wegen Krankheit, Unfall oder Mutterschaft die Mindestbeitragszeit in den letzten 2 Jahren nicht erfüllen konnten, sofern sie während dieser Zeit Wohnsitz in der Schweiz hatten.
Diese Tatbestände können kumuliert werden. Sie müssen in den letzten 2 Jahren vor der Anmeldung insgesamt während mehr als 12 Monaten erfüllt gewesen sein.
Vom Nachweis der Beitragszeit befreit ist zudem, wer wegen einem nicht mehr als einem Jahr zurückliegenden Ereignis wie Trennung oder Scheidung der Ehe, Tod oder Invalidität des Ehegatten oder wegen Wegfalls einer Invalidenrente gezwungen ist, sich um eine Erwerbstätigkeit zu bemühen.
Schliesslich sind auch Personen vom Nachweis der Beitragszeit befreit, die während mehr als einem Jahr (im gleichen Haushalt lebende und auf dauernde Hilfe angewiesene) pflegebedürftige Personen betreut haben, falls diese Betreuungspflicht vor nicht mehr als einem Jahr vor der Anmeldung weggefallen ist.
Wer vom Nachweis genügender Beitragszeit befreit ist, hat Anspruch auf maximal 90 Taggelder, was einer Leistungsdauer von rund vier Monaten entspricht. Erfolgt die Befreiung vom Nachweis der Beitragszeit aufgrund des Wegfalls einer Invalidenrente, besteht seit 1.1.2022 Anspruch auf maximal 180 Taggelder, was einer Leistungsdauer von rund acht Monaten entspricht.
Beispiel
Herrn S ist vor 5 Monaten die bisherige ganze Invalidenrente auf eine Rente mit einem Invaliditätsgrad von 45% herabgesetzt worden. Herr S kann sich nun, obschon er in den letzten 2 Jahren nie einer beitragspflichtigen Beschäftigung nachgegangen ist und die Beitragszeit somit nicht erfüllt hat, zum Bezug eines Arbeitslosentaggeldes anmelden. Er wird dieses jedoch für maximal rund acht Monate erhalten. Da er zudem nach wie vor nur teilweise vermittlungsfähig ist, wird er nur ein Taggeld von 55% der vollen Ansätze erhalten.
Vermittlungsfähigkeit
Als vermittlungsfähig gilt eine Person, wenn sie bereit, berechtigt und in der Lage ist, eine zumutbare Arbeit anzunehmen.
Die Vermittlungsfähigkeit ist somit einerseits nur dann gegeben, wenn eine Person bereit ist, jede Arbeit unverzüglich anzunehmen. Allerdings müssen unzumutbare Arbeiten nicht angenommen werden. Das ist etwa dann der Fall, wenn eine Arbeit den berufs- und ortsüblichen, insbesondere den gesamt- und normalarbeitsvertraglichen Bedingungen nicht entspricht, wenn sie nicht angemessen auf die Fähigkeiten einer Person Rücksicht nimmt oder wenn sie dem Alter, den persönlichen Verhältnissen oder dem Gesundheitszustand der versicherten Person nicht angemessen ist.
Die Vermittlungsfähigkeit wird sodann nur bejaht, wenn eine Person aus familiären und gesundheitlichen Gründen in der Lage ist, eine Arbeit anzunehmen. Im Zweifelsfall haben die behandelnde Ärzte zu bestätigen, ob und in welchem Ausmass eine Arbeitsfähigkeit aus medizinischer Sicht besteht. Selbst bei reduzierter Arbeitsfähigkeit wird bei Menschen mit Behinderungen eine Vermittlungsfähigkeit bejaht, falls die Restarbeitsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt verwertbar erscheint.
Beispiel
Frau A ist Bezügerin einer Rente der IV mit einem Invaliditätsgrad von 60% und geht einer 40%-Erwerbstätigkeit in einem Büro nach. Das Arbeitsverhältnis wird ihr gekündigt und Frau A meldet sich zum Bezug von Arbeitslosentaggeldern an. Die behandelnden Ärzte bestätigen, dass Frau A weiterhin in der Lage ist, einer leichten 40%-Tätigkeit nachzugehen. Falls sie bereit ist, entsprechende Stellen zu suchen und anzunehmen, gilt Frau A als vermittlungsfähig; denn es werden auf dem Arbeitsmarkt im kaufmännischen Bereich durchaus auch Teilzeitangestellte mit kleineren Pensen gesucht.
Liegen Zweifel am Ausmass der Vermittlungsfähigkeit vor, sollten sich gesundheitlich beeinträchtigte Menschen sowohl bei der Arbeitslosenversicherung wie auch bei der IV anmelden. Bis die IV (oder allenfalls die Unfallversicherung oder Pensionskasse) über den Grad der Invalidität und damit über den Rentenanspruch entschieden hat, hat die betreffende Person Anspruch auf das volle Taggeld (sog. Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung). Das bedingt aber, dass aus medizinischer Sicht mindestens eine Teilarbeitsfähigkeit von mindestens 20% – allenfalls in einer angepassten Tätigkeit – bestätigt wird und die versicherte Person auch bereit ist, im Rahmen dieser Teilarbeitsfähigkeit eine Stelle zu suchen.
Beispiel
Herr M hat bisher als Plattenleger gearbeitet. Wegen eines schweren Rückenschadens muss er diese Tätigkeit aufgeben. Nachdem das Arbeitsverhältnis aufgelöst worden ist, meldet sich Herr M bei der Arbeitslosenversicherung an. Auch bei der IV ist ein Leistungsgesuch hängig. Der behandelnde Arzt von Herrn M ist der Auffassung, dass Herr M nicht mehr als Plattenleger arbeiten kann, dass ihm aber eine angepasste rückenschonende Tätigkeit noch zu 50% zumutbar sein sollte.
Wenn Herr M bereit ist, eine solche 50%-Stelle zu suchen und anzunehmen, erhält er bis zum Entscheid der IV ein volles Taggeld.
Sobald die IV, Unfallversicherung oder Pensionskasse einen Rentenentscheid gefällt hat, wird das Taggeld entsprechend dem festgehaltenen Invaliditätsgrad für die Zukunft herabgesetzt. Was die bereits geleisteten Taggelder betrifft, so werden sie von der versicherten Person nicht zurückgefordert, aber mit allfälligen Rentennachzahlungen verrechnet.
Beispiel
20 Monate nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit legt die IV den Invaliditätsgrad auf 55% fest und gewährt Herrn M eine entsprechende Rente. Die Arbeitslosenversicherung passt nun das Taggeld an: Es beträgt ab jetzt nur noch 45% des bisherigen Betrags (100% - 55% = 45%). Zudem macht die Arbeitslosenversicherung für jene 8 Monate, für welche die IV eine Nachzahlung gewährt, eine Rückforderung geltend, die mit den Nachzahlungen der IV verrechnet wird. Herr M muss selber aber keine Taggelder zurückzahlen.
Nachweis der Arbeitsbemühungen
Es gehört zu den Pflichten einer arbeitslosen Person, sich auch ausserhalb des bisherigen Berufs aktiv um Arbeit zu bemühen, eine vom regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) vermittelte zumutbare Arbeit anzunehmen und auf Weisung des RAV angemessene Umschulungs- und Weiterbildungskurse zu besuchen.
Mit den Arbeitsbemühungen muss bereits begonnen werden, wenn eine Kündigung eingetroffen ist und die Arbeitslosigkeit damit absehbar ist. Die Bemühungen müssen schriftlich in genügender Anzahl dokumentiert werden, und die Zusammenstellung muss dem RAV monatlich (bis spätestens am 5. Tag des Folgemonats) abgeliefert werden. Es empfiehlt sich, eng mit den zuständigen Mitarbeitenden des RAV zusammenzuarbeiten, welche auch über Art, Form und Anzahl der nötigen Bemühungen Auskunft geben können. Im Falle ungenügender Arbeitsbemühungen drohen Sanktionen (vgl. weiter unten).
Anmeldung
Wer ein Taggeld beanspruchen will, muss sich bei einer Arbeitslosenkasse anmelden. Die Arbeitslosenkasse – und nicht das RAV – zahlt dann auch das Taggeld aus. Es gibt öffentliche Kassen der Kantone, aber auch private Arbeitslosenkassen z.B. der Gewerkschaften. Da ein Kassenwechsel nach erfolgter Wahl der Kasse kaum mehr möglich ist, lohnt es sich, sich bei Bekannten oder Beratungsstellen nach kundenfreundlichen Arbeitslosenkassen zu erkundigen. Das Tempo der Gesuchsbearbeitung, der Auszahlungsmodus und die Häufigkeit, mit welcher Einstelltage verhängt werden, können durchaus unterschiedlich sein.
Höhe des Taggeldes
In der Arbeitslosenversicherung wird anders als in der Kranken- und Unfallversicherung das Taggeld nicht als Monatsbetrag festgelegt, sondern als Tagesansatz. Dieser Tagesansatz wird jeweils nur für 5 Tage pro Woche ausbezahlt. Für die Umrechnung geht man von durchschnittlich 21,7 Arbeitstagen pro Monat aus.
Die Höhe des Taggeldes errechnet sich aufgrund des versicherten Verdienstes: Als solcher gilt in der Regel der letzte Lohn vor Beginn der Arbeitslosigkeit, bei grösseren Lohnschwankungen der Durchschnittslohn während eines Zeitraumes bis zu 12 Monaten. Die Einkommen von verschiedenen Arbeitsstellen werden zusammengezählt.
Nicht versichert ist ein monatlicher Verdienst von unter 500 Franken, auch wenn darauf Beiträge entrichtet worden sind. Nicht versichert ist ebenfalls ein 148'200 Franken übersteigender Jahresverdienst.
Bei Versicherten, die keine genügende Beitragszeit aufweisen, aber die Voraussetzungen für die Befreiung von der Beitragszeit erfüllen, werden vom Bundesrat festgelegte Pauschalen als versicherter Verdienst herangezogen. Die Höhe der Pauschalen richtet sich nach dem Ausbildungsgrad einer Person. Sie reduzieren sich bei Personen, die nach einer Ausbildung ein Taggeld beanspruchen, das 25. Altersjahr noch nicht erreicht haben und keine Unterhaltspflicht gegenüber Kindern erfüllen müssen, um 50%.
Ein Taggeld von 70% des versicherten Verdienstes erhalten Personen, die
- keine Unterhaltspflicht gegenüber Kindern unter 25 Jahren haben;
- ein volles Taggeld erreichen, das mehr als 140 Franken beträgt; und
- keine Invalidenrente aufgrund eines Invaliditätsgrades von mindestens 40% beziehen.
Die übrigen Versicherten erhalten ein Taggeld von 80% des versicherten Verdienstes.
Beispiel
Frau K, die über eine abgeschlossene berufliche Ausbildung im Detailhandel verfügt, ist in den letzten 2 Jahren wegen einer erheblichen depressiven Störung 100% arbeitsunfähig gewesen und keiner beruflichen Tätigkeit mehr nachgegangen. Da der Arzt sie wieder arbeitsfähig einschätzt, sucht Frau K eine Stelle und meldet sich bei der Arbeitslosenversicherung an.
Bei Frau K wird der versicherte Verdienst aufgrund der Pauschalansätze bestimmt. Da bei ihr ein Pauschalansatz von 127 Franken zur Anwendung gelangt (Ansatz für Personen mit abgeschlossener beruflicher Ausbildung) und sie ein Taggeld von 80% erhält, beträgt ihr Taggeld 101.60 Franken pro Tag. Monatlich ergibt dies ein Taggeld von durchschnittlich rund 2'200 Franken.
Erzielt eine Person während der Dauer des Taggeldbezugs einen Zwischenverdienst (d.h. ein Einkommen aus unselbständiger oder selbständiger Erwerbstätigkeit, das tiefer liegt als das Bruttotaggeld), so muss sie dies umgehend melden. Der Zwischenverdienst wird an das Taggeld angerechnet. Im Ergebnis erhält die versicherte Person für die Dauer des Zwischenverdienstes etwas mehr Geld als ohne Zwischenverdienst.
Dauer des Taggeldanspruchs
Das Arbeitslosentaggeld wird gewährt, solange eine Person arbeitslos ist. Innerhalb der Rahmenfrist zum Leistungsbezug (d.h. innerhalb von 2 Jahren seit der Anmeldung) besteht jedoch Anspruch auf maximal folgende Taggelder:
- 260 Taggelder, wenn eine Person in den letzten 2 Jahren vor der Anmeldung eine Beitragszeit von mindestens 12 Monaten nachweisen kann;
- 400 Taggelder, wenn eine Person in den letzten 2 Jahren vor der Anmeldung eine Beitragszeit von mindestens 18 Monaten nachweisen kann;
- 520 Taggelder, wenn eine Person in den letzten 2 Jahren vor der Anmeldung eine Beitragszeit von mindestens 22 Monaten nachweisen kann und bereits das 55. Altersjahr zurückgelegt hat oder eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40% bezieht;
- 90 Taggelder, wenn eine Person keine genügende Beitragszeit nachweisen kann, aber vom Nachweis der Beitragszeit befreit ist;
- 180 Taggelder, wenn eine Person keine genügende Beitragszeit nachweisen kann, aufgrund des Wegfalls einer Invalidenrente aber vom Nachweis der Beitragszeit befreit ist.
Personen unter 25 Jahren und ohne Unterhaltspflicht gegenüber Kindern haben immer nur Anspruch auf maximal 200 Taggelder. Dafür verlängert sich der maximale Anspruch bei Personen, die sich in den letzten 4 Jahren vor Erreichen des AHV-Alters zum Bezug von Taggeldern anmelden, um zusätzliche 120 Taggelder. Die Rahmenfrist zum Leistungsbezug verlängert sich dabei bis zum AHV-Alter.
Der Anspruch auf ein Taggeld entsteht in der Regel nicht sofort mit der Anmeldung, sondern erst nach einer gewissen Wartezeit, welche je nach Höhe des versicherten Verdienstes und allfälliger Unterhaltspflichten gegenüber Kindern zwischen 5 und 20 Tagen beträgt. Keine Wartezeit zu bestehen haben einzig Versicherte mit einem versicherten Verdienst bis 36'000 Franken pro Jahr. Dasselbe gilt für Versicherte mit einem versicherten Verdienst von 36'000 bis 60'000 Franken, falls Sie gegenüber Kindern unter 25 Jahren unterhaltspflichtig sind.
Wer vom Nachweis der Beitragszeit befreit ist, muss ebenfalls eine Wartezeit von 5 Tagen bestehen. Ist die Befreiung allerdings erfolgt, weil eine Person in den letzten 2 Jahren vor der Anmeldung während mindestens eines Jahres eine Ausbildung absolviert hat, beträgt die Wartezeit 120 Tage, bevor der Anspruch auf ein Taggeld entsteht.
Beispiel
Frau K hat ihren letzten Arbeitsplatz vor 20 Monaten verloren. Sie ist seither arbeitsunfähig gewesen, was ärztlich attestiert worden ist. Nun hat sich der Gesundheitszustand nach einer Operation wieder verbessert und Frau K sucht wieder eine Stelle. Sie meldet sich bei der Arbeitslosenversicherung an. Frau K erfüllt die Beitragszeit nicht, ist aber vom Nachweis der Beitragszeit befreit, weil sie in den letzten 2 Jahren während mindestens eines Jahres wegen ihrer Krankheit arbeitsunfähig gewesen ist. Sie wird von der Arbeitslosenkasse nach einer Wartezeit von 5 Tagen ein Taggeld erhalten, allerdings nur für maximal 90 Tage, d.h. während rund 4 Monaten.
Ist eine Person vorübergehend wegen Krankheit, Unfall oder Schwangerschaft arbeitsunfähig, so wird das Taggeld längstens bis zum 30. Tag der Arbeitsunfähigkeit weiter bezahlt. Diese Fortzahlung ist im Fall mehrmaliger Arbeitsunfähigkeit innerhalb einer Rahmenfrist auf insgesamt 44 Taggelder begrenzt.
Einstellung in der Anspruchsberechtigung
Hat eine arbeitslose Person durch eigenes Verschulden ihre Stelle verloren (z.B. eigene Kündigung), hat sie auf Lohn- und Entschädigungsansprüche gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber verzichtet, bemüht sie sich nicht in genügendem Ausmass um zumutbare Arbeit, lehnt sie eine zumutbare Arbeit ab oder tritt sie eine vom RAV angeordnete Weiterbildungsmassnahme nicht an bzw. bricht diese wieder ab, so kann die zuständige kantonale Amtsstelle im Sinne einer Sanktion eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung für bis zu 60 Tage verfügen. Die Dauer der Einstellung hängt von der Schwere des Verschuldens ab: Während der Einstelltage erhält die betreffende Person, obschon sie alle Voraussetzungen erfüllt, kein Taggeld.
Beispiel
Herrn S ist seine letzte Stelle vom Arbeitgeber gekündigt worden, weil dieser mit den Leistungen nicht mehr zufrieden gewesen ist. Die kantonale Amtsstelle verfügt in der Folge eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung für 30 Tage wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit.
Herr S kann sich gegen diese Sanktion rechtlich wehren, wenn er nachweist, dass er die ungenügenden Leistungen nicht selbst verschuldet hat, sondern eine gesundheitliche Beeinträchtigung deren Ursache gewesen war. Er muss eine entsprechende ärztliche Bestätigung beibringen.
Rechtliche Grundlagen
- Voraussetzungen zum Bezug eines Taggeldes der Arbeitslosenversicherung:
Art. 8 AVIG - Begriff der Arbeitslosigkeit:
Art. 10 AVIG - Anrechenbarer Arbeitsausfall:
Art. 11, 11a AVIG - Anspruch von vorzeitig pensionierten Personen:
Art. 12 AVIV - Erfüllung der Beitragszeit:
Art. 13 AVIG - Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit:
Art. 14 AVIG; Art. 13 AVIV - Vermittlungsfähigkeit / Vorleistungspflicht:
Art. 15, 16 AVIG; Art. 15 AVIV - Erfüllung der Kontrollvorschriften:
Art. 17 AVIG; Art. 26-27 AVIV - Versicherter Verdienst:
Art. 23 AVIG, Art. 37, 40-41 AVIV - Höhe des Taggeldes:
Art. 22 AVIG; Art. 33-34 AVIV - Zwischenverdienst:
Art. 24 AVIG - Höchstzahl der Taggelder:
Art. 27 AVIG, Art. 41b AVIV - Wartezeiten:
Art. 18 AVIG; Art. 6, 6a AVIV - Anspruch auf Taggelder bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit:
Art. 28 AVIG - Einstellung in der Anspruchsberechtigung:
Art. 30 AVIG; Art. 44-45 AVIV - Weisungen / Kreisschreiben / AVIG-Praxis zum Arbeitslosenversicherungsrecht