IV-Taggeld

Die Invalidenversicherung bezahlt während Abklärungs- und Eingliederungsmassnahmen ein Taggeld und deckt damit (zum grossen Teil) den Erwerbsausfall, der als Folge solcher Massnahmen entsteht: Dank des IV-Taggelds wird der Lebensunterhalt der gesundheitlich beeinträchtigten Person und ihrer Familienangehörigen während solcher Massnahmen sichergestellt. Solange ein Taggeldanspruch besteht, entsteht noch kein Anspruch auf eine Rente. Das entspricht auch dem in der IV geltenden generellen Grundsatz «Eingliederung vor Rente».  

In diesem Kapitel wird näher aufgezeigt, bei welchen Abklärungs- und Eingliederungsmassnahmen Anspruch auf ein IV-Taggeld besteht, unter welchen Voraussetzungen ein Taggeld bezahlt wird und wie die Höhe des IV-Taggelds berechnet wird.


    Wann wird ein IV-Taggeld bezahlt?

    Folgende Abklärungs- und Eingliederungsmassnahmen berechtigen zur Ausrichtung eines IV-Taggeldes:

    • Abklärungsmassnahmen in einem Spital, einer medizinischen Abklärungsstelle (z.B. MEDAS) oder in einer beruflichen Eingliederungsstätte
    • Eingliederungsmassnahmen:
      • Integrationsmassnahmen zur Vorbereitung auf die berufliche Eingliederung
      • Massnahmen beruflicher Art (z.B. Umschulung)
      • gewisse erstmalige berufliche Ausbildungen
      • Arbeitsversuche
      • medizinische Massnahmen
      • Gebrauchstraining bei von der IV abgegebenen Hilfsmitteln

    Beispiel

    Frau B ist 19 Jahre alt und lebt mit einem Herzfehler, der von der IV als Geburtsgebrechen anerkannt worden ist. Während eines mehrtägigen Spitalaufenthalts aufgrund einer notwendigen Operation (medizinische Massnahme) erhält sie von der IV ein Taggeld.
     

    Der Anspruch auf ein IV-Taggeld beginnt frühestens mit dem Beginn der Abklärung oder Eingliederung und erlischt spätestens mit dem Abschluss der Massnahme. Muss eine Eingliederungsmassnahme (z.B. ein Arbeitsversuch) aus gesundheitlichen Gründen unterbrochen werden, so wird das Taggeld für eine beschränkte Zeit weiter bezahlt (je nach Dauer der Eingliederung während längstens 30, 60 oder 90 Tagen).

    Wer erhält ein IV-Taggeld?

    Anspruch auf ein IV-Taggeld besteht frühestens nach Vollendung des 18. Altersjahrs. Personen, die vor dem 18. Altersjahr in einer erstmaligen beruflichen Ausbildung stehen, für welche die IV ein Taggeld ausrichtet, haben seit 1.1.2022 aber bereits ab Ausbildungsbeginn einen ​​​​​​​Taggeldanspruch.

    Ein IV-Taggeld erhält grundsätzlich nur, wer als erwerbstätig gilt: Diese Voraussetzung gilt als erfüllt, wenn eine Person unmittelbar vor ihrer Arbeitsunfähigkeit ein AHV-pflichtiges Erwerbseinkommen erzielt hat. Wer bei Eintritt einer Arbeitsunfähigkeit Arbeitslosentaggelder bezieht oder wer die Erwerbstätigkeit bereits früher aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste, gilt ebenfalls als erwerbstätig.  

    Personen in der erstmaligen beruflichen Ausbildung haben nur dann Anspruch auf ein Taggeld, wenn die IV invaliditätsbedingte Mehrkosten übernimmt (vgl. hierzu das Kapitel «Berufliche Ausbildung: Erstmalige berufliche Ausbildung»)

    Alle anderen Personen gelten als nicht erwerbstätig und haben keinen Anspruch auf ein IV-Taggeld. Hingegen besteht allenfalls Anspruch auf eine Entschädigung für die wegen einer Eingliederungsmassnahme anfallenden zusätzlichen Kosten für die Betreuung von Kindern oder Familienangehörigen.

    Beispiel

    Herr A ist Karosseriespengler und hat seine Anstellung aus persönlichen Gründen aufgelöst. Danach findet er leider keine Anstellung mehr, wird bei der Arbeitslosenversicherung ausgesteuert und bezieht in der Folge Sozialhilfe. Er erleidet nun einen schweren Autounfall und ist hernach querschnittgelähmt. Herr A meldet sich bei der IV an und diese finanziert ihm eine Umschulung zum Sozialarbeiter. Da Herr A vor dem Unfall von der Sozialhilfe unterstützt worden ist, gilt er als nicht erwerbstätig. Während der Umschulung erhält er somit kein IV-Taggeld. Er kann höchstens eine Entschädigung für die aufgrund der Umschulung allenfalls anfallenden Kinderbetreuungskosten verlangen.

    Hätte Herr A unmittelbar vor dem Unfall noch Arbeitslosentaggelder bezogen, oder hätte er seine Anstellung als Karosseriespengler aufgrund des Unfalls aufgeben müssen, hätte ihm die IV während seiner Umschulung ein IV-Taggeld ausgerichtet..

    IV-Taggeld auch während der Wartezeiten?

    Wer aus Gründen, die nicht in der eigenen Person liegen, auf den Beginn einer Umschulung warten muss und in der bisherigen Tätigkeit zu mindestens 50% arbeitsunfähig ist, erhält ein Wartezeittaggeld. Der Anspruch auf ein solches Taggeld beginnt, sobald die IV feststellt, dass eine Umschulung angezeigt ist und deshalb weitere Vorkehren anordnet (z.B. Suche eines geeigneten Umschulungsplatzes). Solange aber ein ganzes Taggeld der Arbeitslosenversicherung, ein Taggeld oder eine Rente der Militärversicherung, eine IV-Rente, eine Entschädigung der Erwerbsersatzordnung oder ein Taggeld der Unfallversicherung während einer Heilbehandlung im Sinne des Unfallversicherungsgesetzes ausbezahlt wird, richtet die IV kein Wartezeittaggeld aus.

    Anspruch auf ein Wartezeittaggeld hat zudem, wer im Anschluss an eine erstmalige berufliche Ausbildung eine Umschulung oder einen Arbeitsversuch von der IV Arbeitsvermittlung erhält und noch keine Stelle gefunden hat. Dieser Anspruch besteht jedoch längstens während 60 Tagen und nur, wenn kein Anspruch auf ein Taggeld der Arbeitslosenversicherung besteht.

    Beispiel

    Frau M erkrankt an Multipler Sklerose und muss ihre Tätigkeit als Physiotherapeutin aufgeben. Die IV erachtet eine Umschulung zur kaufmännischen Angestellten als angezeigt. Bis zum Beginn des entsprechenden Lehrgangs dauert es aber noch 5 Monate. Die IV bezahlt Frau M während diesen 5 Monaten ein Wartezeittaggeld.
    Nach Abschluss der Umschulung, während der Frau M ein normales IV-Taggeld bezogen hat, unterstützt die IV Frau M noch im Sinne einer Arbeitsvermittlung. Weil Frau M nun aber Anspruch auf ein Taggeld der Arbeitslosenversicherung hat, kann sie kein IV-Wartezeittaggeld mehr beziehen.

    Wie wird das IV-Taggeld bemessen?

    Das Taggeld besteht aus einer Grundentschädigung und einem zusätzlichen Kindergeld. Zusammen dürfen Grundentschädigung und Kindergeld den Betrag von 407 Franken pro Tag nicht übersteigen.

    Die Grundentschädigung entspricht 80% des Erwerbseinkommens, das die Person in ihrer letzten beruflichen Tätigkeit vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung erziehlt hat, maximal aber 326 Franken. 

    Ein Kindergeld erhält eine Person für jedes Kind und Pflegekind bis zum 18. Altersjahr bzw. bis zum Abschluss der Ausbildung (längstens jedoch bis zum 25. Altersjahr). Ein Kindergeld wird jedoch nur bezahlt, wenn für das Kind nicht bereits eine erwerbstätige Person Familienzulagen erhält. Das Kindergeld beträgt 9 Franken pro Tag pro Kind.  

    Wenn eine Person während der Eingliederung eine Erwerbstätigkeit ausübt und das Einkommen aus dieser Tätigkeit zusammen mit dem Taggeld höher ist als das vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung erzielte Einkommen, wird das Taggeld wegen Überentschädigung gekürzt.  

    Kommt die IV während der Eingliederungsmassnahme für Verpflegung und Unterkunft auf, werden vom Taggeld 20%, maximal aber 20 Franken, abgezogen. Bei Personen mit Unterhaltspflichten gegenüber Kindern beträgt der Abzug nur 10%, maximal aber 10 Franken.

    Beispiel

    Herr K ist Aussendienstmitarbeiter in einer grösseren Firma, als er psychisch erkrankt. Aus gesundheitlichen Gründen kann er nun nicht mehr im Aussendienst arbeiten. Die IV gewährt ihm eine Umschulung auf eine Tätigkeit in der Buchhaltung. Diese Umschulung kann in der gleichen Firma durchgeführt werden. Als Aussendienstmitarbeiter verdiente Herr K 60‘000 Franken pro Jahr. Während der Umschulung erhält er ein Jahreseinkommen von 40‘000 Franken. Die Grundentschädigung beträgt 132 Franken pro Tag (80% × 60‘000 Franken ÷ 365). Weil diese Grundentschädigung zusammen mit dem während der Umschulung bezogenem Verdienst (40'000 Franken pro Jahr bzw. 110 Franken pro Tag) zu einer Überentschädigung führen würde, wird sie auf 54 Franken pro Tag gekürzt. Zusammen erhält Herr K gleich viel, wie er als Aussendienstmitarbeiter bezogen hat, nämlich 164 Franken pro Tag bzw. 60'000 Franken pro Jahr.

    Taggeld während der erstmaligen beruflichen Ausbildung

    Unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe während der erstmaligen beruflichen Ausbildung Anspruch auf ein Taggeld besteht wird im Kapitel «Berufliche Ausbildung: Erstmalige berufliche Ausbildung» näher beschrieben. Personen, die am 1.1.2022 bereits ein Taggeld während einer erstmaligen beruflichen Ausbildung bezogen haben, erhalten dieses Taggeld bis zum Unterbruch oder Abschluss der entsprechenden Massnahme weiterhin ausgerichtet (Besitzstand).

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