Besteuerung von Renten, Taggeldern und Kapitalleistungen
Wer in der Schweiz steuerrechtlichen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, ist steuerpflichtig und muss auch Einkünfte aus Taggeldern, Renten und Kapitalabfindungen versteuern. Diese Ersatzeinkünfte müssen heute in aller Regel gleich wie der Lohn zu 100% versteuert werden. Das gilt sowohl für die Bundessteuern wie für die Kantons- und Gemeindesteuern.
In diesem Kapitel werden einige grundsätzliche Fragen beantwortet, die für Personen mit eingeschränkter Arbeits- und Erwerbsfähigkeit wichtig sein können. Die Ausführungen sind bewusst generell gehalten und gehen nicht auf alle Details ein. Für weitergehende Fragestellungen verweisen wir an die kantonalen Steuerbehörden oder empfehlen den Beizug qualifizierter Steuerberater. Auch die Beratungsstellen von Pro Infirmis können – beispielsweise bei der Formulierung von Steuererlassgesuchen – behilflich sein.
Welche Leistungen müssen versteuert werden?
Zu 100% als steuerbare Einkünfte angerechnet werden:
- Taggelder der Kranken-, Unfall-, Invaliden-, Militär- und Arbeitslosenversicherung
- Renten der AHV, IV und Unfallversicherung
- Renten der Militärversicherung, soweit der Anspruch nach dem 1.1.1994 entstanden ist
- Renten der beruflichen Vorsorge
- Renten der Säule 3a
- Kapitalleistungen der Unfallversicherung, der Militärversicherung, der beruflichen Vorsorge und der Säule 3a
Nur zu 80% als steuerbare Einkünfte angerechnet werden Renten und Kapitalleistungen der beruflichen Vorsorge,
- wenn sie vor dem 1.1.1987 zu laufen begonnen haben oder vor dem 1.1.2002 zu laufen begonnen haben und auf einem Vorsorgeverhältnis beruhen, das am 31.12.1986 bereits bestanden hat,
- und wenn die steuerpflichtige Person die anspruchsbegründenden Leistungen (Einlagen, Beiträge, Prämien) zu mindestens 20% mitfinanziert hat.
Nur zu 60% als steuerbare Einkünfte angerechnet werden Renten und Kapitalleistungen der beruflichen Vorsorge,
- wenn sie vor dem 1.1.1987 zu laufen begonnen haben oder vor dem 1.1.2002 zu laufen begonnen haben und auf einem Vorsorgeverhältnis beruhen, das am 31.12.1986 bereits bestanden hat,
- und wenn die steuerpflichtige Person die anspruchsbegründenden Leistungen (Einlagen, Beiträge, Prämien) ausschliesslich selbst erbracht hat.
Beispiel
Herr Z bezieht seit dem 1.6.1993 je eine Rente der IV, der Militärversicherung und der beruflichen Vorsorge. Die IV-Rente muss er zu 100% versteuern. Da die Rente der beruflichen Vorsorge nicht auf einem Vorsorgeverhältnis beruht, das am 31.12.1986 bereits bestanden hat, muss er auch die Rente der beruflichen Vorsorge zu 100% versteuern. Da die Rente der Militärversicherung bereits vor dem 1.1.1994 zu laufen begonnen hat, muss sie nicht versteuert werden.
Rentennachzahlungen werden gemäss gängiger Gerichts- und Verwaltungspraxis zu dem Steuersatz versteuert, der sich ergäbe, wenn anstelle der einmaligen Leistung eine entsprechende jährliche Leistung ausgerichtet würde. Da ordentlicherweise eine periodische Ausrichtung vorgesehen ist, wird die Rentennachzahlung durch diese Steuersatzreduktion privilegiert besteuert. Die gesamte Rentennachzahlung wird sodann aber – zusätzlich zu den laufenden Renten des betreffenden Kalenderjahres – in derjenigen Steuerperiode erfasst, in welcher die Auszahlung erfolgt.
Allfällige nachträgliche Rückforderungen von bereits erbrachten Leistungen (z.B. durch eine Krankentaggeldversicherung) sollten unverzüglich der zuständigen Steuerbehörde gemeldet werden, damit sie im Rahmen der Besteuerung berücksichtigt werden können.
Kapitalleistungen werden immer gesondert besteuert, und zwar ebenfalls zu einem reduzierten Satz.
Beispiel
Mit IV-Verfügung vom 6.1.2023 erhält Frau K rückwirkend für die Zeit ab 1.5.2020 eine ganze IV-Rente. Die Rentennachzahlung für den Zeitraum von 1.5.2020 bis 31.12.2022 (32 Monate) beträgt insgesamt 66'000 Franken. Diese Rentennachzahlung muss Frau K im Auszahlungsjahr 2023 und zusätzlich zu den laufenden Renten des Jahres 2023 versteuern. Damit Frau K aufgrund des hohen Nachzahlungsbetrages nicht in eine höhere Stufe gelangt, wird die Rentennachzahlung für die Ermittlung des Steuersatzes auf 1 Jahr umgerechnet (sog. Steuersatzreduktion). Für den Steuersatz massgebend sind somit lediglich 24'750 Franken (66'000 Franken : 32 x 12).
Welche Leistungen sind steuerfrei?
Nicht versteuert werden müssen:
- Hilflosenentschädigungen der AHV, IV und Unfallversicherung
- Genugtuungsleistungen und Integritätsentschädigungen der Unfallversicherung und der Militärversicherung
- Integritätsschadenrenten der Militärversicherung
- Ergänzungsleistungen
- Hilfsmittel der AHV, IV und der Unfallversicherung
- Unterstützungen aus öffentlichen und privaten Mitteln (Sozialhilfe)
Beispiel
Frau M hat aufgrund eines erlittenen Unfalles ihre Sehfähigkeit beinahe vollständig verloren. Dank einer IV-Umschulung kann sie aber weiterhin erwerbstätig sein. Gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 35% erhält sie eine Rente der Unfallversicherung. Zudem erhält sie von der Unfallversicherung eine Hilflosenentschädigung und eine Integritätsentschädigung. Die Rente der Unfallversicherung muss Frau M zu 100% versteuern. Die Hilflosenentschädigung und die Integritätsentschädigung sind hingegen steuerfrei.
Kann für die Betreuung von Kindern mit Behinderung ein Sozialabzug geltend gemacht werden?
Steuerpflichtige können vom Einkommen nicht nur für jedes minderjährige oder in Ausbildung stehende Kind, sondern auch für jede erwerbsunfähige oder beschränkt erwerbsfähige Person, an deren Unterhalt sie sich mindestens in der Höhe von 6'500 Franken pro Jahr beteiligen, einen Abzug von 6'500 Franken geltend machen.
Diesen Sozialabzug können z.B. Eltern geltend machen, die ihr erwachsenes Kind mit Behinderung zu Hause betreuen und unterstützen. Für minderjährige Kinder, für welche sie bereits den allgemeinen Kinderabzug geltend gemacht haben, können sie den Sozialabzug aber nicht zusätzlich vornehmen.
Beispiel
Herr und Frau S haben eine minderjährige und noch in Ausbildung stehende Tochter sowie einen volljährigen Sohn mit Behinderung. Da der Sohn erwerbsunfähig ist und sie sich im Umfang von über 6'500 Franken an seinem Unterhalt beteiligen, können sie von ihrem Einkommen nicht nur für die Tochter, sondern auch für den Sohn einen Sozialabzug in der Höhe von 6'500 Franken vornehmen.
Welche Personen und welche Leistungen unterliegen der Quellensteuer?
In der Schweiz wohnhafte Ausländer und Ausländerinnen, welche nicht über eine Niederlassungsbewilligung C verfügen und deren Ehegatte ebenfalls nicht über das Schweizer Bürgerrecht oder die Niederlassungsbewilligung C verfügt, sind für ihr Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit einem Steuerabzug an der Quelle unterworfen: Die Steuer wird ihnen direkt vom Lohn abgezogen. Dieser Quellensteuer sind aber nicht bloss der Lohn, sondern auch die Ersatzeinkünfte unterworfen.
Hierzu gehören insbesondere:
- Taggelder der Kranken-, Unfall-, Invaliden- und Arbeitslosenversicherung
- Renten der IV, Unfallversicherung, beruflichen Vorsorge und der Säule 3a, solange nur eine teilweise Erwerbsunfähigkeit besteht und die versicherte Person ihre Restarbeitsfähigkeit noch verwerten kann
- Kapitalleistungen
In all diesen Fällen ist es Aufgabe der Arbeitgebenden bzw. der Versicherungen, die Quellensteuer vom Taggeld bzw. der Rente oder der Kapitalleistung abzuziehen und den Steuerbehörden abzuliefern.
Nicht der Quellensteuer, sondern der ordentlichen Steuer unterliegen:
- Renten der AHV
- Altersrenten der beruflichen Vorsorge und der Säule 3a
- Hinterlassenenrenten der beruflichen Vorsorge und der Säule 3a
- Vollrenten der IV, Unfallversicherung, beruflichen Vorsorge und der Säule 3a, sofern keine Resterwerbsfähigkeit mehr besteht
Beispiel
Frau T ist alleinstehend und in der Schweiz Jahresaufhalterin (Ausweis B). Sie arbeitet als medizinische Praxisassistentin. Aufgrund einer längeren Erkrankung bezieht sie seit mehreren Monaten ein Krankentaggeld. Sowohl von ihrem Erwerbseinkommen (vor der Erkrankung) als auch von den Krankentaggeldern wird eine Quellensteuer abgezogen. Solange die Krankentaggelder vom Arbeitgeber an Frau T weitergeleitet werden, hat der Arbeitgeber die Quellensteuer zu erheben. Sobald Frau T die Krankentaggelder direkt von der Versicherung ausbezahlt erhält, muss die Versicherung die Quellensteuer erheben.
Wann und wo kann ein Gesuch um Steuererlass gestellt werden?
Wenn die Bezahlung der Steuern aufgrund einer Notlage eine grosse Härte bedeutet, kann ein Gesuch um ganzen oder teilweisen Steuererlass gestellt werden. Für den Erlass der direkten Bundessteuer ist das Gesuch an die kantonale Erlassbehörde zu richten. Für den Erlass der Staats- und Gemeindesteuern sowie der Quellensteuer ist in der Regel das Gemeindesteueramt zuständig.
Im Erlassgesuch ist die Notlage darzulegen, wobei in erster Linie die Situation im Zeitpunkt des Entscheids für den Erlass massgebend ist. Ebenfalls berücksichtigt werden die Entwicklung seit der Steuerveranlagung und die Aussichten für die Zukunft. Eine finanzielle Notlage wird jeweils dann angenommen, wenn die Sozialhilfe für die Lebenshaltungskosten aufkommen muss oder wenn der geschuldete Steuerbetrag in einem Missverhältnis zur finanziellen Leistungsfähigkeit steht. Ein solches Missverhältnis ist dann gegeben, wenn die Steuerschuld trotz Einschränkung der Lebenshaltungskosten auf das Existenzminimum in absehbarer Zeit nicht vollumfänglich beglichen werden kann.
Das Gesuch um Steuererlass muss vor der Zustellung eines Zahlungsbefehls gestellt werden, da die Erlassbehörde ansonsten nicht auf das Gesuch eintritt.
Beispiel
Herr J verliert seine Arbeitsstelle. Mit den Arbeitslosentaggeldern lebt er nun am Existenzminimum. Aufgrund dieser Notlage kann er ein Gesuch um Erlass der zurzeit noch fälligen Steuern stellen.
Rechtliche Grundlagen
- steuerbare Einkünfte:
Art. 22 Abs. 1 und 2, Art. 23 lit. a und b DBG, Art. 7 Abs. 1 StHG - Übergangsbestimmung zu Renten und Kapitalleistungen der beruflichen Vorsorge:
Art. 204 DBG - gesonderte Besteuerung von Kapitalleistungen:
Art. 38 DBG, Art. 11 Abs. 3 StHG - Besteuerung von Rentennachzahlungen:
Art. 37 DBG, Art. 11 Abs. 2 StHG - steuerfreie Einkünfte:
Art. 24 lit. d, g, h DBG, Art. 7 Abs. 4 StHG - Sozialabzug:
Art. 35 Abs. 1 lit. b, Art. 9 Abs. 2 StHG (mit Verweis auf das jeweilige kantonale Recht) - Quellensteuer:
Art. 83 ff. DBG, Art. 32–34 undArt. 37 StHG, Quellensteuerverordnung (QStV) - Steuererlass:
Art. 167 DBG, Steuererlassverordnung