Fallbeispiel: Ein Leben lang 2 Jahre alt: Mutter Daniela pflegt seit 23 Jahren Tochter Jenny. Eine Pause ist nicht in Sicht.
Am 30. Oktober würdigen Pro Infirmis und zahlreiche weitere Organisationen den unermüdlichen Einsatz der pflegenden und betreuenden Angehörigen in der Schweiz. Es ist ein unbezahlter Vollzeit-Job – das zeigt der Fall von Daniela und Jenny, die wir seit Jahren begleiten und unterstützen dürfen.
Aufstehen, Jenny parat machen, in die geschützte Einrichtung fahren – und zum Mittagessen wieder nach Hause holen. Hinter diesem Satz verbergen sich Stunden.
Alltagsrituale gehören für alle dazu. Für Daniela (56) und Jenny (23) sind sie ein regelrechtes Abenteuer. Denn Jenny, die seit ihrer Geburt mit einer kognitiven und körperlichen Einschränkung lebt, ist auf dem Entwicklungsstand eines Kleinkindes. Jenny braucht Rund-um-die-Uhr-Betreuung: Bei der Körperpflege, beim Kleider anziehen, beim Essen – und allem, was noch dazwischenkommt. Sie ist lieb und freundlich und hat ein sympathisches Lächeln – doch Jenny kann sich nicht gut verständigen, läuft mit fremden Leuten mit, wenn Mama nicht aufpasst.
Gesundheitlich angeschlagen und doch im Dauereinsatz
Daniela ist Jennys einzige Bezugsperson – abgesehen von den Betreuer*innen in der geschützten Einrichtung, in der Jenny von Montag bis Donnerstag arbeitet. Die Mutter, die selber gesundheitlich angeschlagen ist und eine Teil-IV bezieht, ist im Dauereinsatz. Wenn Jenny für ein paar Stunden weg ist, fängt die andere Arbeit an: putzen, einkaufen, kochen und die Wohnung auf potenzielle Gefahren hin untersuchen und sichern.
“Wenn ich einmal alt bin und keine Kraft mehr habe, muss ich Jenny früh genug an eine dauerhaft fremde Heimumgebung gewöhnen", sagt Daniela. "Solange ich das bewältigen kann, möchte ich Jenny nicht im Stich lassen.“
1,9 Millionen pflegende und betreuende Angehörige
Daniela ist bei weitem kein Einzelfall. Schätzungen zufolge begleiten rund 1,9 Millionen Menschen in der Schweiz ein Kind oder eine erwachsene Person auf einer täglichen Basis. Im Jahr 2016 entsprach dies 80 Millionen unbezahlten Arbeitsstunden.
Nächstes Jahr tritt ein Bundesgesetz in Kraft, mit dem die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenpflege verbessert werden soll. Es sichert unter anderem die Lohnfortzahlung bei kurzen Abwesenheiten für die Betreuung von nahestehenden Personen und die Einführung eines bezahlten Betreuungsurlaubs für Eltern von schwer kranken oder verunfallten Kindern vor.
Diese Gesetzgebung ist aber erst der Anfang. Es gibt noch viel zu tun, um die Situation der pflegenden Angehörigen zu verbessern. Heute nehmen wir uns die Zeit, um ihre unermüdliche Arbeit zu würdigen und sagen: Danke!
“Solange ich das bewältigen kann, möchte ich Jenny nicht im Stich lassen.“