Der Bundesrat hat am 25.10.2023 einen Bericht zur politischen Teilhabe für Menschen mit Behinderungen veröffentlicht. Daraus wird klar: der Stimmrechtsausschluss aufgrund einer Behinderung, der heute in der Bundesverfassung verankert und gesetzlich konkretisiert ist, ist mit der UN-Behindertenrechtskonvention nicht vereinbar und muss geändert werden.
Politische Rechte müssen garantiert werden
Menschen mit Behinderungen, die heute unter umfassender Beistandschaft stehen oder durch eine vorsorgebeauftragte Person vertreten werden, dürfen heute gemäss Bundesgesetz über die politischen Rechte nicht wählen und abstimmen. Ausserdem sind Wahl- und Abstimmungsunterlagen nicht durchgehend in leichter Sprache verfasst.
Behindertensession und Kantone zeigen den Weg
Das Postulat Carobbio forderte vom Bundesrat eine Klärung, wie diese unhaltbare Situation geändert werden kann. Auch die Behindertensession 2023 forderte zuletzt die Abschaffung des diskriminierenden Stimmrechtsausschlusses aufgrund Behinderung sowie die Barrierefreiheit von Wahl- und Abstimmungsunterlagen und -informationen. Eine entsprechende Petition wurde am 10. Mai offiziell eingegeben.
Der Kanton Genf hat 2020 diesbezüglich bereits eine Verfassungsänderung auf Kantonsebene angenommen. Am 19. September 2023 wurde im Kanton Zürich eine Behördeninitiative im Kantonsrat angenommen, welche den Regierungsrat beauftragt, eine kantonale Rechtsgrundlage für das Stimmrecht für Menschen mit einer Beistandschaft zu schaffen. In Solothurn und Luzern laufen derweil Unterschriftensammlungen für Volksinitiativen mit demselben Ziel.
Bundesrat zeigt Handlungsbedarf auf
Im Bericht führt der Bundesrat klar aus, dass der in der Verfassung verankerte Stimmrechtsausschluss der UN-BRK widerspricht. Der Handlungsbedarf für das Parlament ist damit deutlich aufgezeigt.
Auch möchte der Bundesrat die Fortschritte bei der Umsetzung der Leichten Sprache bei Wahlen weiter vorantreiben. Für Pro Infirmis ist klar, dass dies zu einem Standard für Wahlen und Abstimmungen werden muss.
«Wir begrüssen es, dass der Bundesrat den Handlungsbedarf erkennt und eine Ausgangslage schafft, um wichtige Forderungen der Behindertensession umzusetzen», sagt Felicitas Huggenberger, Direktorin von Pro Infirmis.
Nun ist das Parlament gefordert
Der Postulatsbericht geht nun ins Parlament. Pro Infirmis fordert die Politik auf, schnell zu handeln und die nötigen Anpassungen anzustossen, damit die politische Teilhabe für alle Menschen mit Behinderungen gewährleistet wird. Das bedeutet, dass der diskriminierende Stimmrechtsausschluss aufgrund Behinderung abgeschafft wird. Und es beinhaltet die weitere Verankerung von Massnahmen für die Zugänglichkeit der Wahlen und Abstimmungen – dabei darf das Thema nicht auf Massnahmen für Menschen mit kognitiven Behinderungen beschränkt bleiben, sondern muss die Hindernisfreiheit für alle Menschen mit Behinderungen garantieren.
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