Fallbeispiel: «Nami brachte eine Welle von Emotionen in unser Leben.»
Nami bedeutet auf Japanisch Welle. Als kleine Welle des Glücks schwappte sie in das Leben ihrer Familie. Bis sich aus heiterem Himmel ein Sturm über der kleinen Nami – heute 6 Jahre alt – und ihren Lieben zusammenbraute.
«Ich hatte eine einfache Schwangerschaft und auch Namis Entbindung verlief gut», erinnert sich Vanessa C. Bis sich am zehnten Tag nach Namis Geburt alles schlagartig ändert. Den Eltern Vanessa und Kay fällt auf, dass Nami ihren linken Arm unnatürlich hält und dass sie von Zeit zu Zeit zuckt. Als die besorgte Vanessa am Vormittag mit der Kleinen zur Kinderärztin geht, unterlässt diese wichtige Untersuchungen wie Fieber- und Pulsmessung. Alles in Ordnung, so heisst es. Am Nachmittag ist routinemässig Vanessas Hebamme bei der Familie. Die Hebamme ruft im Spital Vevey an und schildert Namis Symptome. Von dort heisst es: «Kommen Sie sofort ins Spital.»
Eine furchteinflössende Diagnose
Im Spital fällt zum ersten Mal das Wort Hirnhautentzündung. Um diese nachzuweisen, wird dem Baby im Lendenwirbelbereich etwas Nervenwasser entnommen. Leider bestätigt sich der Verdacht. Vanessa verbringt eine angstvolle und unruhige Nacht mit ihrer kleinen Nami im Spital. Am nächsten Tag wird Nami zu weiteren Abklärungen ins Universitätskinderspital Lausanne verlegt. Drei Tage lang wird das kleine Mädchen Tests unterzogen. Und sie wird vorsorglich auf der Neugeborenenstation isoliert – denn sie könnte ansteckend sein. «Ich fühlte mich die ganze Zeit über wie in einem schlechten Film.»
Bange Tage des Wartens
Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte beschliessen, Nami in ein künstliches Koma zu versetzen. So soll sich ihr Hirn beruhigen können und die Entzündungen gelindert werden. «In diesen Tagen habe ich nur noch funktioniert – wie ein Roboter. Vanessa und ich haben uns im Spital bei Nami abgewechselt, so oft es ging. Gleichzeitig habe ich die Betreuung für meine zwei Söhne aus erster Ehe organisiert, welche die Hälfte der Zeit bei uns leben. Es war eine aufreibende Zeit für uns alle», erinnert sich Kay. Den Eltern bleibt nichts anderes als abzuwarten.
Nach einer bangen Woche kann Nami endlich aus dem künstlichen Koma geholt werden. «Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als sie die Augen aufschlug und uns mit wachen, strahlenden Augen angeschaut hat», blickt Vanessa zurück. Die Hirnhautentzündung hat Namis kognitive Fähigkeiten zum Glück nicht beeinträchtigt. Aber leider wird schon bald klar, dass Narben in Namis Gehirn geblieben sind. Und dass sie motorisch eingeschränkt sein wird. Namis linke Körperhälfte wurde durch die Hirnhautentzündung stärker in Mitleidenschaft gezogen als die Rechte. So kann sie den linken Arm und die linke Hand nicht bewegen. Sie ist ausserdem auf den Rollstuhl angewiesen und kann nicht sprechen.
Fördern und fordern
Schon als Baby erhält Nami Physiotherapie und tatsächlich beginnt sie mit rund acht Monaten, den Kopf zu heben. Sie kann sich heute sehr selbstständig in ihrem Rollstuhl und ihrem elektrischen Rollstuhl fortbewegen und über ihre Mimik, Geräusche und ein Tablet kommunizieren. Ihren Eltern Vanessa und Kay ist es sehr wichtig, dass Nami mit Kindern, die keine Behinderungen haben, zusammen ist. So hat Nami wie alle andere die Kindertagesstätte besucht und geht jetzt in einen regulären Kindergarten. «Wir wünschen uns von der Gesellschaft und insbesondere von den Schulen, dass sie Wege finden, um Kinder wie Nami zu integrieren. Da auch Namis Sprechzentrum durch die Hirnhautentzündung beschädigt wurde, wird das Lehrpersonal später kreativ sein müssen, um ihr Wissen zu prüfen. Aber wir sind sicher, es wird Lösungen geben», sind sich Vanessa und Kay einig.
Immer da, wenn es uns braucht
Um Lösungen zu finden, ist auch Pro Infirmis da. «Wir waren völlig überfordert mit Namis Erkrankung. Umso wichtiger war es, dass uns Pro Infirmis bei den Formalitäten z. B. für ihre Hilflosenentschädigung geholfen hat. Später hat uns unsere Sozialberaterin Jessica L. sehr beim Kauf und rollstuhlgängigen Umbau eines Autos unterstützt. Das ist wichtig, denn es gibt so viel zu beachten», sagt Kay dankbar. Vanessa und Kay scheuen sich nicht mehr, die Sozialberaterin Jessica L. in allen Lebenslagen um Rat zu fragen. «Sie ist wirklich mit Herzblut dabei und immer für uns da», berichtet Vanessa. So wie die Familie für Nami da ist: Damit diese kleine «Welle», die so grosse Emotionen ausgelöst hat, sich in Zukunft den Weg bricht, den sie möchte.
«Nami wird ihren Weg gehen, wenn man sie lässt. Davon sind wir überzeugt.»