
Im Schweizer Parlament gab es während der Frühjahrssession 2025 mehrere wegweisende Geschäfte zum Thema Wohnen. Der Ständerat befürwortete eine gesetzliche Neuregelung für mehr Selbstbestimmung, der Nationalrat entschied über Ergänzungsleistungen für betreutes Wohnen, und Nationalrat Martin Candinas reichte eine Anfrage zum verbesserten Kündigungsschutz in Wohnheimen ein.
Grundsätzlich können Menschen in der Schweiz frei entscheiden, wo und wie sie leben möchten. Für Menschen mit Behinderungen ist diese Wahlfreiheit jedoch oft nicht gegeben. Das bestehende System ist nach wie vor stark auf das Wohnen in Heimen und Institutionen ausgerichtet. In der Schweiz leben etwa 150'000 Personen in Institutionen – viele davon unfreiwillig, weil Unterstützungsgelder an Heimplätze gebunden sind und Alternativen fehlen.
Dass sich dies ändert, ist auch eine Hauptforderung der Inklusions-Initiative. Die Initiative greift dabei ein zentrales Anliegen der UNO-Behindertenrechtskonvention auf, die von der Schweiz ratifiziert wurde.
Ein Meilenstein für selbstbestimmtes Wohnen
In der Frühjahrssession hat der Ständerat eine Motion für die Modernisierung des Bundesgesetzes über die Institutionen zur Förderung der Eingliederung von invaliden Personen (IFEG) an den Bundesrat überwiesen.
Mit der Revision soll erreicht werden, dass Menschen mit Behinderungen ihre Wohnform sowie ihren Wohnort frei und selbstbestimmt wählen können und die dafür nötige Unterstützung erhalten. Die Motion fordert zeitgemässe Rechtsgrundlagen, damit Gelder, die bisher primär in Institutionen flossen, künftig auch für ambulante Unterstützungsangebote verwendet werden können.
Mehr Schutz für Heimbewohnende
Parallel dazu hat Nationalrat Martin Candinas (Die Mitte) eine Interpellation eingereicht, die auf eine problematische rechtliche Lücke beim Wohnen in Heimen hinweist. Aktuell können Pensionsverträge in Behinderten-, Alters- und Pflegeheimen jederzeit ohne besondere Gründe gekündigt werden, da sie rechtlich primär als Auftragsverträge behandelt werden.
Menschen in Heimen können durch diese Regelung in eine prekäre Situation geraten, wenn ihnen plötzlich der Wohnsitz samt Betreuungsleistungen gekündigt wird. Candinas erkundigt sich beim Bundesrat, ob im Rahmen der IFEG-Revision Kündigungsschutzbestimmungen für Pensionsverträge eingeführt werden könnten, um Betroffene besser zu schützen.
Betreutes Wohnen mit Ergänzungsleistungen
Ein weiterer Fortschritt ist die Zustimmung des Nationalrats zu einer Änderung des Ergänzungsleistungsgesetzes:Personen mit Assistenzbeitrag sollen einen monatlichen Zuschlag von 500 Franken erhalten, um ihrer Nachtassistenz ein Zimmer zur Verfügung stellen zu können. Auch für Wohngemeinschaften gibt es positive Änderungen: Wenn mehrere Personen im Rollstuhl zusammenwohnen, kann der Zuschlag für rollstuhlgängige Wohnungen künftig zweimal pro Haushalt angerechnet werden. Beide Änderungen stärken das selbstbestimme Wohnen in den eigenen vier Wänden.
Bundesrat und Ständerat am Zug
Die Vorstösse in der Session zeigen, dass das Thema Wohnen für Menschen mit Behinderungen die politische Aufmerksamkeit erhält, die es verdient. Doch der Weg zu echter Wahlfreiheit beim Wohnen ist noch lang.
Es ist nun entscheidend, dass der Bundesrat zügig einen Entwurf für die IFEG-Revision vorlegt, der tatsächlich mehr Selbstbestimmung ermöglicht. Die Revision muss in enger Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderungen und ihren Organisationen erfolgen, wie es die Motion auch fordert. Beim Ergänzungsleistungsgesetz liegt der Ball jetzt beim Ständerat – seine Zustimmung ist nötig, um die finanziellen Grundlagen für betreutes Wohnen zu verbessern.