Bund und Kantone verweigern einem Teil der Bevölkerung das Stimm- und Wahlrecht. Als erster Kanton überhaupt will Genf dies ändern: Am 29. November wird darüber abgestimmt, ob alle Menschen mit Behinderungen künftig ihre politischen Rechte ausüben dürfen. Für Inclusion Handicap ein überfälliger Schritt: Die heutige Praxis ist völkerrechtswidrig. Der politische Dachverband hofft auf ein deutliches «Ja» aus Genf, und dass andere Kantone und der Bund möglichst rasch nachziehen.
Stimm- und Wahlrecht für Alle! Abstimmung in Genf von nationaler Bedeutung
Dies ist eine Medienmitteilung von Inclusion Handicap, unserem politischen Dachverband. Pro Infirmis ist im Vorstand vertreten.
In allen Kantonen und auf Bundesebene dürfen Menschen unter gewissen Formen der Beistandschaft weder stimmen noch wählen. Der Kanton Genf will dies ändern: Die Bevölkerung befindet über das obligatorische Referendum. Das Parlament hatte Ende Februar einer Änderung der Kantonsverfassung zugestimmt.
Alle Genferinnen und Genfer, die unter Beistandschaft stehen, würden bei einem «Ja» am 29. November automatisch ihre politischen Rechte erlangen, aber nur auf kantonaler und lokaler Ebene. Heute müssen sie diese auf dem Rechtsweg einfordern. Damit ist Genf (zusammen mit den Kantonen Tessin und Waadt, die ein Verfahren zur Wiedererlangung der Rechte kennen) bereits heute fortschrittlicher als der Rest der Schweiz, wo betroffene Bürgerinnen und Bürger keine Möglichkeit haben, ihr Recht auf politische Teilhabe einzufordern. Faktisch ist die Situation aber nur auf dem Papier etwas besser: Zum einen sind die Gerichte in Genf ohnehin sehr restriktiv in dieser Frage. Zum anderen bleiben Betroffene auf nationaler Ebene ohnehin in jedem Kanton von Abstimmungen und Wahlen ausgeschlossen.
Gegen Völkerrecht
Die heutige Regelung aller Kantone und des Bundes ist für eine Demokratie selbstredend unwürdig. Sie widerspricht dem Völkerrecht: Die Behindertenrechtskonvention (BRK) der UNO verpflichtet die Schweiz, allen Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die politischen Rechte zu gewährleisten. Die aktuellen Gesetze sind diskriminierend.
Undemokratische Regelung muss eliminiert werden
Sagt die Genfer Bevölkerung Ja zur Verfassungsänderung, wäre dies für die Schweiz ein wegweisender Schritt. Genf wäre der erste Kanton, der allen Menschen mit Behinderungen das Stimm- und Wahlrecht zuspricht. Der Bund hat für das Jahr 2020 die politische Partizipation als Schwerpunktthema festgelegt. Für Inclusion Handicap ist klar, dass er und alle anderen Kantone rasch Reformen einleiten müssen, damit das Stimm- und Wahlrecht für alle Bürgerinnen und Bürger gilt.